Was macht das Jahr 1923 aus Ihrer Sicht zu einem ganz besonderen Jahr in der Weimarer Republik im Allgmeinen und in Sachsen im Besonderen?
Das Jahr 1923 steht in der Erinnerung vieler Deutscher für eine schwere Krise – und deren Bewältigung: Es steht für Inflation, eine Wirtschaftskrise, die Besetzung von Rhein und Ruhr, den Hitlerputsch in Bayern und schließlich – eher am Rande – auch für einen „Kommunistischen Putsch“ in Sachsen (und Thüringen). Dieser Putsch konnte – so die gültige Geschichtserzählung – durch den Einmarsch der Reichswehr abgewendet und Deutschland somit vor dem Kommunismus „gerettet“ werden.
Diese Einschätzung trifft so jedoch nicht zu. In Sachsen versuchte vielmehr eine parlamentarisch legitimierte linksorientierte Regierung die steckengebliebene Revolution von 1918/19 weiterzuführen, den Rechtsruck im Reich zu stoppen, die Kommunisten ins Verfassungssystem zu integrieren und schließlich den drohenden Faschismus abzuwehren. Insofern zerstörte der Einmarsch der Reichswehr in Sachsen ein wichtiges demokratisches Bollwerk gegen Reaktion und Faschismus.
Warum haben Sie zu diesem speziellen Thema geforscht und veröffentlicht? Warum ist diese Episode heute noch relevant?
Die Bedeutung, die das „linksrepublikanische Projekt“ für eine Fort- und Weiterentwicklung der Weimarer Republik im Sinne einer allmählichen Transformation in einen demokratischen Sozialstaat hätte haben können, wird in der Forschung kaum beachtet oder zur Kenntnis genommen. Stattdessen wird die Gefahr eines kommunistischen Putsches, der so in Sachsen konkret nicht bestand, in den Mittelpunkt des gültigen historischen Narrativ gestellt. Die Herausarbeitung der Tatsache, dass es in der Weimarer Republik linksrepublikanische Alternativen gegeben hat, ist auch heute von großer Bedeutung. Es gab nicht nur die rechte Alternative….
Was können die Gäste bei der Veranstaltung mit Ihnen am 22.Juni im Projekthaus Potsdam erwarten?
Ich erhoffe mir lebhafte und kontroverse Diskussionen zum „linksrepublikanischen Projekt, etwa den Chancen des Projektes, zur Rolle der Reichswehr und Stresemanns, der Politik der KPD, der generellen Situation in Sachen u.a.m. Ich wünsche mir, dass die positive Bedeutung des „linksrepublikanischen Projekts“ stärker gewürdigt (oder aber auch möglicher Weise infrage gestellt) wird.
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Do. 22.06. - 19:00 Vortrag und Diskussion:
"Sachsen 1923. Das linksrepublikanische Projekt – eine vertane Chance für die Weimarer Demokratie?"
Referent Heinrich Pohl richtet den Blick nach Sachsen (und Thüringen), wo linksrepublikanische Projekte die Politik und Öffentlichkeit "alarmierten". Anders als bei rechten Umtrieben wurde alsbald militärisch interveniert - die Reichsregierung entsandte die Armee, um einen "deutschen Oktober" zu verhindern. Aber war die Demokatie wirklich gefährdet? Referent: Prof. Dr. phil. Karl Heinrich Pohl, Historiker und Autor Ort: Projekthaus Potsdam (ab 18:00 Einlass, Getränke und Imbiss sowie Info- und Büchertisch)
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