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Herausforderungen in den Umständen der Krise: Projektbegegnung in Griechenland

Der Verein Inwole hat im Mai 2019 eine Projektbegegnung für Fachkräfte der Jugendbildung und Jugendsozialarbeit in Griechenland organisiert.


Vom 12. bis 20. Mai 2019 nahm eine Gruppe Jugendbildungs- und Jugendsozailarbeiter*innen aus Potsdam an einer Projektbegegnung in Griechenland teil. Dabei war die Problematik der Gestaltung und Entwicklung außerschulischer Jugendbildungsarbeit in den Umständen der Krise der Kern dieses Projektes. Uns interessierte vor allem, inwiefern dieser Bereich von der langfristigen Wirtschaftskrise betroffen ist und ob man und auf welche Art die lokalen Akteur*innen unterstützen könnte, eine bessere Struktur und langfirstige(re) Perspektive für ihre Arbeit zu ermöglichen.

Unser Projekt führte uns fast durch das gesamte Land: Wir waren in Athen und Thessaloniki, aber haben auch Projekte in Katerini (südlich von Thessaloniki) und Kilkis (an der griechisch-nordmazedonischer Grenze) besucht. In Athen besuchten wir verschiedene soziale Projekte, wie Geflüchtetenwohnprojekte Mazi und Holes in the borders, Wohnprojekt für Menschen mit psychischen Problemen Society for social psychiatry, das soziale Zentrum Communitism und den Verein Co-Hab Athens. Und wo auch immer wir waren, es zeigte sich immer das gleiche Bild: Zivilgesellschaftliche Akteur*innen übernehmen Aufgaben staatlicher Behörden, die entweder handlungsunfähig/handlungsunwillig sind oder die es überhaupt nicht gibt. Von Fördermitteln für Projekte ganz zu schweigen. Stattdessen sind sowohl kleinere Initiativen, als auch größere Projekte und Netzwerke auf eine Finanzierung durch Crowdfunding oder Spenden angewiesen, wobei größte Teile der Arbeit, egal wie komplex oder angestrengt einige Tätigkeiten sind, nur symbolisch vergütet oder unbezahlt bleiben. Ehrenamtliches Engagement und Überforderung an der Grenze zur Verzweiflung sind Hauptmerkmale in solchen Umständen.

Allgemeine Stadtentwicklungstendenzen in Athen haben auch einen starken Einfluss auf die Arbeit und Aktivitäten verschiedener Vereine und Projekte: Zahlreiche komerzielle Angebote und touristische Attraktionen spielen sich nur einen Steinwurf von verfallenen Nachbarschaften und krassen Straßenszenen mit Heroinfixen auf dem Gehweg entfernt ab. Eine Gentrifizierung schreitet unhaltbar voran, weshalb eine Verdrängung ganzer Straßenzüge immer mehr ein Problem für viele Menschen wird, egal ob sie nur Bewohner*innen oder auch in verschiedenen Projekten engagiert sind. Man wehrt sich dagegen schon lange, aber erst seit kurzem wird der Widerstand organisierter. Ein Erfahrungsaustausch zwischen unserer Gruppe und unseren Gastgeber*innen leistete hoffentlich auch einen kleineren Beitrag dazu.

Im Norden Griechenlands sah die Situation doch etwas besser aus. In Katerini besuchten wir den Verein Perichoresis, ein großes Wohnprojekt für Geflüchtete, das zurzeit die Unterkunft, aber auch verschiedene Inklusionsprojekte für mehr als 600 geflüchteter Menschen organisiert. In Thessaloniki besuchten wir To perivoli mas, ein ganz neues Nachbarschaftsprojekt für Geflüchtete im Stadtteil Tumba und den Verein Ethos, unseren Projektpartner, und besichtigten die Räume seines in Zwischenzeit aus finanziellen Gründen leider eingestellten Wohnprojektes für unbegleitete minderjährige Geflüchtete. In Thessaloniki hatte man den Eindruck, dass viel zu viel einfach zu schnell passiert und die Situation sich tagtäglich ändert: Nur eine Woche vor unserer Ankunft wurde eine Förderung für viele großen Wohnprojekte für Geflüchtete ohne Erklärung eingestellt und einige waren in einem extrem kurzen Zeitraum sogar schon zwangsgeräumt. Und keiner konnte uns genau erklären, warum diese Geschehenisse überhaupt stattfanden. Denn es gibt keine neuen oder ersetzenden Programme, Fördermittel oder irgendwelche alternativen Pläne für dieses Problem.

Dass es einige Beispiele erfolgreicher Arbeit doch gibt, die die neueste Welle der Förderungkürzung und Zwangsräumung in Nordgriechenland überlebt haben, stellten wir bei der Besichtigung vom Verein Omnes in nördlicher Kleinstadt Kilkis fest. In einer ziemlich feindlichen und rechtsextremen Umgebung organisiert der Verein ein Wohnprojekt für ca. 600 Geflüchtete und versucht dabei, tolle kreative Lösungen zu finden, um Arbeitsplätze für sie zu schaffen und dadurch ihnen eine langfristige Bleibeperspektive zu ermöglichen. Der Verein ist dabei ziemlich erfolgreich, was langsam aber sicher einer Änderung der Wahrnehmung von diesem Projekt, sowohl in der Stadtverwaltung, als auch in der Stadt selbst geführt hat. Nach einem fünfstündigen Besuch und sehr intensiven Gesprächen mit unserem Gastgeber, nahm unsere Gruppe viele neuen Ideen und Inspiration mit.


Und Fazit? Trotz der Berichten der Medien und Jubeln der europäischen Entscheidungsträger ist die Krise in Griechenland nicht vorbei. Denn eine von der Krise nicht geplagte Gesellschaft sieht doch anders aus. Deshalb bräuchten zivilgesellschaftliche Akteur*innen in Griechenland unsere Unterstützung, vor allem Hilfe zur Selbsthilfe: Sie sind viele, sie sind erfahren und mehr als genug einfallsreich, um sich selber mit vielen Herausforderungen auseinanderzusetzen. Wenn wir ihnen noch zeigen, dass sie nicht alleine auf der Welt sind und sie durch Wissenstransfer oder Erfahrungsaustausch noch ein bisschen unterstützen, werden sie genug ermutigt, ihre (Sisyphus)Arbeit nicht nur fortzusetzen, sondern auf eine höhere Stufe zu bringen.



Bilderbeschreibung:

01 – Ein Blick auf Stadtzentrum von Athen

02 – Arbeitstreffen im sozialen Zentrum Communitism in Athen

03 – bis 06 Veranstaltung über soziale Wohnprojekte in Communitism

07 – Arbeitstreffen mit dem Verein Co-Hab in Athen

08 – Im Besuch beim Verein Perichoresis in Katerini

09 – Trotz dem „schlimmsten Verkehr in ganz Griechenland“ ist Thessaloniki eine tolle Stadt

10 – 11 Besichtigung von To perivoli mas, eines ganz neuen Nachbarschaftsprojektes , das eine Inklusion der Geflüchtete, freiwilliges Engagement und soziales Unternehmentum zu verbinden versucht.

12 – Im Besuch beim Verein Omnes in der Kleinstadt Kilkis, der ein tolles kreatives Projekt betreibt und langfristige Perspektive sowohl für Geflüchtete, als auch für lokale Bevölkerung schafft und dabei eine ziemlich feindselige Umgebung änderte.


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